Antichrist

NOMINIERT FÜR DEN KÖLNER THEATERPREIS 2015
von Lars von Trier
Regie: Jürgen Clemens | Mit: Georg B. Lenzen, Silke Natho

Foto: Horizont

Die Stärke des Theaters ist es, emotionale Situationen so präsent zu machen als ob man sie selber erlebt hätte. Der Antichrist ist „ein gefährliches Experiment, in dem rigorose Rationalität auf die Unberechenbarkeit von Gefühlen trifft. (…) Ein Kind stirbt. Es fällt aus dem Fenster seines Zimmers, während nebenan die Eltern miteinander schlafen. Für beide stürzt die Welt ein. Doch ihre Reaktionen auf den Tod könnten unterschiedlicher kaum sein. Traumatisiert zieht die Frau sich in sich selbst zurück. Der Mann, ein Therapeut, versucht die äußere Ordnung wiederherzustellen. Er nimmt seine Frau mit in eine abgelegene Waldhütte, wo sie sich ihren Ängsten stellen und Trauerarbeit leisten soll (...)“



PRESSE

Kölner Stadt- Anzeiger, Dienstag, 27. Oktober 2015

Der Teufel ist nicht therapierbar
Lars von Triers „Antichrist“ im Horizont- Theater
von Norbert Raffelsiefen

Antichrist unplugged? Kein Film des dänischen Filmregisseurs Lars von Trier sorgte für so einen großen Skandal, wie das Horror- Drama „Antichrist“ aus dem Jahre 2009. Dem, übrigens in der Nähe von Köln gedrehten, Film mit Charlotte Gainsbourg und Willem Dafoe wurde unter anderem Frauenfeindlichkeit und Tendenzen zum „Torture Porn“ vorgeworfen. Die Folge war, dass der Skandal zwar riesig, aber die Besucherzahlen im Kino eher dürftig waren. Jetzt hat man im Horizont- Theater die Gelegenheit, die eigentliche Geschichte ohne provokante Bilder zu begutachten. Erzählt wird der gnadenlose Geschlechterkampf eines Liebespaares, ausgelöst durch den dramatischen Unfalltod ihres Kindes. Er, ein versierter Therapeut, sie, eine schwerst depressive Doktorandin finden in der Trauer keinen Zugang mehr zueinander.

Eine Tour de Force

Unter dem sträflichen Bruch der Regeln seines Berufes will der Mann seine eigene Ehefrau in der Waldhütte therapieren. Die Traumatherapie soll in Form einer Konfrontationstherapie vonstatten gehen, bei der sich der abgeklärt gebende Analyst die immer noch tieftrauernde Ehefrau mit ihren Ängsten konfrontiert. Das Geschehen auf der Bühne wird dabei unter der Regie von Jürgen Clemens zum spannenden Spiel der Identifikationssteuerung, bei dem die Gunst des Publikums mal der gepeinigten Frauenseele gilt, dann aber ebenso eindeutig dem zunehmend in die Opferrolle gedrängten Ehemann zufällt. Die beiden Darsteller Georg B. Lenzen und Silke Natho liefern als dynamisches Paar eine schauspielerische Tour de Force ab, bei der die Leidenschaft der Liebenden ebenso eindringlich zum Vorschein kommt, wie die Trauer, die Verängstigung, die Verachtung, die Verzweiflung und der blanke Hass. Mit offenem Visier geht es in den Nahkampf, dessen Intensität den Zuschauer unweigerlich in seinen Bann zieht.
Dabei erwächst in von Triers mittelalterlich anmutendem, düsterem Schauermärchen aus der sexuellen Lust die satanische Sünde. Bei ihm erweist sich der Teufel als Herr aller, auch der menschlichen Natur. Gegen diese dunkle Gewalt ist kein therapeutisches und rationales Kraut gewachsen. Man mag dieser kulturhistorischen Abrechnung mit der Aufklärung folgen oder nicht, das Ringen des Paares mit und gegeneinander erschüttert und rührt an.